„Die Probleme von Kindern in Suchtfamilien sind in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig Thema. Dass diesen Kindern engagiert geholfen wird, ist mein Motiv, hier mitzuarbeiten.“
Ulrike Merten, Kulturjournalistin, Neue Rhein Zeitung

Kinder aus Suchtfamilien – Wichtige Fakten

  • Alkoholismus und Drogenabhängigkeit haben die Neigung, sich in Familien zu wiederholen.
    Kinder suchtkranker Eltern sind einem höheren Risiko für Alkoholismus und Drogensucht ausgesetzt als andere Kinder. Bedingt durch das familiäre Umfeld und erbliche Faktoren sind Kinder suchtkranker Eltern die Höchstrisikogruppe für Alkohol- und Drogenmissbrauch.
  • Die familiäre Situation wird durch Drogenmissbrauch oder Sucht in der Familie bestimmt.
    Trinken ist die Hauptursache für die Zerstörung von Familien. Das Umfeld ist charakterisiert durch einen Mangel an Erziehung, schlechte Haushaltsführung und mangelnde Kommunikationsfähigkeit. In der Familie tauchen regelmäßig folgende Probleme auf: verschärfte Konflikte, emotionale und körperliche Gewalt, schlechte Familienorganisation und geringer Zusammenhalt in der Familie.
  • In hohem Maß bestehen Zusammenhänge zwischen Sucht im Elternhaus und Kindsmissbrauch
    Bei Eltern, die ihre Kinder misshandeln, besteht offenbar eine Verbindung zwischen Alkoholmissbrauch und körperlicher Misshandlung. Drei von vier Mitarbeitern aus dem Bereich der Kinderfürsorge benennen Drogenmissbrauch als Hauptgrund für den dramatischen Anstieg von Kindesmisshandlung seit 1986.
  • Kinder suchtkranker Eltern zeigen häufiger Symptome von Depression und Angststörungen als andere Kinder.
    Daher sind Kinder suchtkranker Eltern in gesteigertem Maße gefährdet, psychiatrische oder psychosomatische Dysfunktionen zu entwickeln.
  • Kinder suchtkranker Eltern zeigen häufig Verhaltensauffälligkeiten.
    Bei Forschungen über das Verhalten bei Kindern von Alkoholikern haben sich folgende Eigenschaften herausgestellt: Mangel an Empathie für andere Personen, eingeschränktes Empfinden für sozial angemessenes Verhalten, geringe Selbstachtung und ein Mangel an Kontrolle über das Umfeld. Kinder suchtkranker Eltern zeigen Verhaltensmuster und Charakterzüge, die sie anfällig für zukünftige Anpassungsprobleme und Verhaltensstörungen machen.
  • Kinder suchtkranker Eltern schneiden in ihren schulischen Leistungen schlechter ab und zeigen weitere Schulschwierigkeiten.
    Kinder suchtkranker Eltern schwänzen häufiger die Schule oder verlassen die Schule vorzeitig; darüber hinaus bleiben sie häufiger sitzen und werden öfter zum Schulpsychologen geschickt.
  • Kinder suchtkranker Eltern können von unterstützenden Angeboten erwachsener Helfer profitieren.
    • Kinder, die erfolgreich mit dem Trauma fertig geworden sind, in einer suchtkranken Familie aufgewachsen zu sein, konnten sich häufig auf die Unterstützung eines nicht suchtkranken Elternteils, von Stiefeltern, Großeltern, Lehrern oder anderen Personen verlassen.
    • Kinder von Alkoholikern, die sich auf andere unterstützende Erwachsene verlassen konnten, haben eine erhöhte Autonomie, bessere soziale Fähigkeiten, bessere Alltags-Bewältigungs-Strategien und bessere Möglichkeiten, mit emotional schwierigen Erfahrungen umzugehen
    • Gruppenprogramme können bei Kindern von Alkoholikern Isolationsgefühle, Scham- und Schuldgefühle verringern, indem sie den Einfluss von Gleichaltrigen und gegenseitiger Unterstützung unter den Jugendlichen in ihrer Wichtigkeit betonen.
    • Kompetenzen und die Fähigkeit, enge Beziehungen zu entwickeln und aufrecht zu erhalten, Gefühle auszudrücken und Probleme zu lösen, können bei Kindern von Alkoholikern gestärkt werden, indem ihre Selbstachtung und Selbstwirksamkeit aufgebaut wird.

(Quelle: NACOA Deutschland www.nacoa.de)

Von Helden, Sündenböcken, Clowns und unsichtbaren Kindern

Rollenmuster von Kindern aus Suchtfamilien

Kinder aus Suchtfamilien werden in der Literatur als „vergessene Kinder“ bezeichnet. Vergessen sind sie vor allem deswegen, weil ihre Eltern mit ihrer Aufmerksamkeit mehr oder weniger vollständig um die Sucht kreisen.

  • Der Süchtige richtet all seine Aufmerksamkeit auf das Suchtmittel.
  • Der Ehepartner richtet all seine Aufmerksamkeit auf den Süchtigen.

Für die Kinder bleibt da kaum Zuwendung übrig. Damit sie im Suchtsystem überleben können, nehmen sie Rollenmuster an. Sie sichern ihnen einerseits einen gewissen Schutz, andererseits ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit – und sei es negative. In hohem Maße erfüllen sie mit ihren Rollen aber auch die Bedürfnisse ihrer Familie und damit die Bedürfnisse des süchtigen Systems.
 

Fallbeispiele

Sebastian, der Held…
… ist ein Überflieger. Er ist clever, ehrgeizig und Klassenbester. Sebastian übernimmt Verantwortung, hilft gerne Klassenkameraden bei den Aufgaben. Seine Eltern sind mächtig stolz auf ihn. Er ist ein sehr reifer und ernster Junge, oft hat er so einen traurigen Blick.
Sebastians Vater ist Spiegeltrinker. Er hält ständig einen gewissen Alkoholpegel, aber man merkt es ihm nicht an. Er ist beruflich erfolgreich und peinlich darauf bedacht, dass sein Trinkproblem nicht ruchbar wird. Seine Frau unterstützt ihn darin, indem sie sich als ehrenamtliche Helferin überall unersetzlich macht. So steht die Familie nach außen glänzend, doch Vater und Mutter sitzt ständig die Angst im Nacken, dass das Familiengeheimnis Sucht irgendwann herauskommen könnte. Sebastian spürt die Anspannung der Eltern. Unbewusst steht er unter dem immensen Druck, seinerseits die Familienehre hochzuhalten. Mit seinem vorbildlichen Verhalten tut er seinen Teil dazu, das Alkoholproblem in der Familie zu kaschieren. Für die Eltern ist der selbstständige Sohn eine Entlastung. Doch Liebe und Zuwendung bekommt Sebastian von seinen Eltern nicht. Diese sind zu sehr mit sich und der Sucht beschäftigt. So ist Sebastian tief innen davon überzeugt, nicht liebenswert zu sein. Auch seine guten Schulnoten können ihm kein gesundes Selbstbewusstsein verschaffen. Kinder wie Sebastian nennt man Helden. Sie sind traurige Helden.


Timo, das schwarze Schaf…
…ist das Problemkind der Klasse. Er ist unkonzentriert, in den Pausen prügelt er sich oft mit anderen Kindern. Timo blockt immer ab, macht selten Hausaufgaben, schwänzt öfter, hasst die Schule, die Lehrer – alle. Vor kurzem wurde er im Kaufhaus beim Klauen erwischt. Sein Vater hat ihn darauf windelweich geschlagen. „Wenn ich so einen Bengel hätte, würde ich mich auch jeden Abend zusaufen“, hieß es in der Kneipe. Da fühlte der Vater sich verstanden. Auch die Mutter ist froh, dass die Nachbarn sich über Timos Diebstahl das Maul zerreißen und nicht über die Zechtouren ihres Mannes. Die Mutter weiß nicht, dass Timo sich all seine Schwierigkeiten unbewusst nur deshalb einhandelt, um die negative Aufmerksamkeit vom Vater auf sich zu ziehen. Denn im Inneren liebt er seine Eltern, sein größter Kummer ist, dass er sich von ihnen ungeliebt fühlt. Kinder wie Timo nennt man Sündenböcke oder schwarze Schafe. Sie zahlen mit ihrer Rolle in einem suchtkranken Familiensystem den höchsten Preis. In ihrer Loyalität zu den Eltern gehen sie bis zur Selbstzerstörung.


Jenny, der Clown…
…ist eine Nervensäge. Ständig schwatzt und albert sie herum. Bei den Mitschülern ist sie beliebt, weil ihr immer was Lustiges einfällt. Im Unterricht ist sie zappelig, unkonzentriert und stört. Aber böse sein kann man ihr nicht. Als ihre Mama neulich das Essen anbrennen ließ, hat sie mit ihren Witzen und Faxen den Vater und die Geschwister wieder zum Lachen gebracht. Auch die Mutter war erleichtert und hat ihr einen Kuss gegeben. Jenny hat große Angst. Sie weiß nicht, dass ihre Mutter trinkt. Und sie versteht nicht, warum ihr Vater oft so aggressiv auf die Mutter reagiert. Nie erfährt sie, was eigentlich los ist. „Die Mama ist heute krank und muss ins Bett“, sagt der Vater oft. Jenny ist immer innerlich angespannt. Wenn wieder eine seltsame Stimmung in der Luft liegt, kann sie nicht anders. Dann dreht sie voll auf, albert herum und bezaubert jeden mit ihrem Charme. Wenn alle wieder fröhlich sind, fühlt sie sich sicher – für einen Moment. Kinder wie Jenny nennt man Clowns. Ihr zwanghaftes Lachen spiegelt nicht Ihre Fröhlichkeit, sondern ihr Entsetzen.


Kim, das unsichtbare Kind…
…ist still und meldet sich kaum im Unterricht. Wenn sie vom Lehrer etwas gefragt wird, wird sie rot und schämt sich. Oft guckt sie aus dem Fenster und träumt. In der Pause ist sie nicht mit anderen Kindern zusammen, sondern sitzt irgendwo und spielt alleine. Kims Mutter ist froh über das „pflegeleichte“ Kind, welches ihr keinerlei Aufmerksamkeit abverlangt. Mit ihrem trinkenden Mann und den Geschwistern hat sie schon genug zu tun. Kim sitzt immer genügsam in ihrem Zimmer. Wenn die Eltern sich mal wieder streiten, versteckt sie sich in ihrer Höhle. Am Esstisch merken die anderen Familienmitglieder manchmal erst nach einer Weile, dass Kim fehlt. Sie ist froh, wenn sie von der Bildfläche verschwinden kann, denn die ständigen Spannungen in der Familie sind ihr zu viel. Wenn sie alleine ist, und fragt sich, ob sich überhaupt jemand für sie interessiert. Kinder wie Kim nennt man unsichtbare Kinder. Sie begeben sich freiwillig in die Einsamkeit und isolieren sich so vom Leben.

Die hier aufgeführten Beispiele können natürlich nur schematisch und holzschnitthaft sein. Es gibt Kinder, die gleichzeitig oder nacheinander mehrere Rollenmuster leben. Gemeinsam ist allen Rollen, dass sie zwanghaft ausgelebt werden. In jeder dieser Rollen leiden die Kinder unter einem sehr niedrigen Selbstwertgefühl. Ihr Gefühlsleben wird beherrscht von Angst, Schmerz, Wut, Scham- und Schuldgefühlen sowie einer tiefen Verwirrung. Wonach sich die Kinder sehnen, sind vertrauenswürdige Erwachsene, die ihnen Verständnis und Annahme entgegenbringen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass es wenigstens einen Menschen gibt, der an sie glaubt.

© NACOA Deutschland www.nacoa.de

Wie ein betroffener junger Erwachsener heute über seine Kindheit schreibt:

„Nun, in erster Linie ist dies kein Erfahrungsbericht.

Sind Sie Betroffener, handelt es sich nicht um eine Erfahrung. Eine Erfahrung machen Sie an einem bestimmten Tag, an einem bestimmten Ort, gegebenenfalls mit einer oder mehreren Personen. Sie sichten das Monster von Loch Ness, Sie sehen ein Ufo oder Sie testen ihren neuen Staubsauger etc…

Nein, es geht um wahrlich Tieferes: Ihre Verankerung in dieser Welt, die tragenden Säulen Ihrer Persönlichkeit, Ihre grundlegende Sicht der Dinge. Wie Sie sich selbst betrachten und wie Sie Ihre Umwelt betrachten.

Wenn ein Kind in einem Problemumfeld aufwächst, ist dieses zunächst nicht das Problem an sich. Das Leben in unserer Gesellschaft schafft ewig Konflikte. Es ist vielmehr der Umgang mit Problemen, der größere Probleme schaffen kann. Wenn Sie als isoliertes Kind in einem fremden Umfeld aufwachsen und Ihre einzige Bezugsperson enttäuschte Erwartungen an das Leben in Alkohol ertränkt, erlernen Sie diese Art und Weise, mit Problemen umzugehen. Sie haben auch schwerlich die Möglichkeit, ein anderes Verhalten zu erlernen. Für ein Korrektiv müsste ja auch erst das tabuisierte Verhalten, die Alkoholproblematik, beim Namen genannt werden. Wachsen Sie also als Kind in dieser Situation auf, finden Sie sich direkt in einer „Patt“- Situation. Das ist eine beträchtliche Anforderung an ein kleines Wesen. Eines lernt es sehr schnell: auf die Einsamkeit ist Verlass.

Ein rückwärtsgerichteter Heilungsansatz ist meiner Ansicht nach nicht möglich. Sie können das Zeitrad nicht zurückdrehen. Jedem co-abhängigen Kind ist anzuraten, die Situation zu verlassen. Das Zusammenleben mit alkoholkranken Eltern ist schlichtweg zu unterbinden. Das Kind muss erlernen, dass es nicht verantwortlich ist für die hausgemachte Misere alt gewordener Kinder, die Verantwortlichkeit nicht beim Wort nehmen. Es muss lernen, sich in den Vordergrund zu stellen, und diese Menschen als unnötigen Ballast zu betrachten. Dieser Schnitt ist schmerzhaft, aber heilsam. Je eher das geschieht, umso vorteilhafter für das junge Leben. In dieser Geschichte gibt es kein „Happy End“.

In meinem Fall begann der Einbruch der kindlichen Welt mit ca. sieben Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt kann ich auf eine glückliche Kindheit zurückblicken. Meine Welt war das Meer und die Sonne. Ich trieb mich viel zwischen Felsen und kleinen Pinienwäldern herum, als in einer funktionierenden Familie eingegliedert zu sein. Alles änderte sich mit einer tiefen Krise meiner Mutter. Ihr Taumel währte einige Nächte und bescherte mir eine tief sitzende traumatische Erfahrung, die ich erst sehr spät, als Erwachsener verdaute. Aber alles sollte noch schlimmer kommen. Das Erlebnis führt zum Verlust des Urvertrauens. Sie kehren als Kind nach innen ein. Alles wird unberechenbar und Sie selber argwöhnisch und verschlossen. Da man als Kind natürlich egozentriert ist und nicht über Lebenserfahrung verfügt, rechnen Sie sich aus, dass Sie selbst dafür verantwortlich sind. Ich selbst hatte keine Person, an die ich mich wenden konnte. Und selbst wenn es eine solche gab, so ließ ich sie nicht an mich heran. Die Flucht geht nach innen. Tief nach innen. Aus der Höhle, Ihrem Versteck, beobachten Sie vorsichtig Ihr Umfeld. Sie verhalten sich wie ein verletztes Tier. Aus dem unbefriedigten Bedürfnis nach Liebe und Vertrauen gärt mit den Jahren eine ätzende Brühe. Diese Brühe müssen Sie dann, einmal erwachsen geworden, selber auslöffeln. Schließlich liegen die Sterne unseres Glückes/ Unglückes in uns selbst.

Andererseits ist es wieder ein Einfaches und nahe Liegendes, für einen solchen Menschen jedes Ungemach und Scheitern der Tatsache anzurechnen, dass Mama nur mit sich selbst beschäftigt war und selbst wie ein kleines Kind die äußere Welt für das erfahrene Unglück verantwortlich machte. Hier liegt der Kern des so genannten Teufelskreises. Hier schließt sich die Verhaltenspathologie der vorhergehenden Generation an die Filialgeneration an. Das gleiche Verhaltensmuster. Eine negative „Erfolgsgeschichte“ der Psychologie. Ich schaue mit Traurigkeit auf diese Zeit zurück. Etwas enttäuscht über die Schwäche meiner Mutter und einer Familie, die eigentlich nie eine war. Gerne würde ich mich mit dem kleinen Kerl mal unterhalten, der ich einmal war. Ich würde ihm mit viel Geduld und Liebe erklären wollen, das er ein ganz wundervolles Wesen ist und stolz auf sich sein kann. Dass er es verdient, geliebt zu werden, und es eigentlich nur natürlich ist.

Wir leben in einer hoch komplizierten Gesellschaft. Und vor dem Hintergrund des Elends und der Not in vielen Teilen der Erde mag es dann doch komisch anmuten, dass man die traurigen Kinder anderer traurigen Kinder so umsorgt. Es ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Es ist nur der Anfang. Der Anfang, über das alt hergekommene Rollenspiel zwischen Eltern und Kindern nachzudenken. Denn gerade in diesem Problembereich zeigt sich, dass Kinder einem psychischen Missbrauch anheim fallen, indem sie von überforderten Elternteilen in eine Verantwortungs- und Vertrauensposition gedrängt werden, an der das Kind selber mit der Zeit zerbricht.

Am Ende bleiben wir alle auf uns selbst zurückgeworfen. Sich selbst zu hinterfragen, ist der einzig mögliche Ansatz, um vielleicht mit viel Geduld das eigene Verhalten zu ändern. Zweifel und Unsicherheiten können dann der Nährboden für einen Schaffungsprozess sein, an dessen Ende man sich selbst als zufriedenen Menschen erfährt und die Fehler der Vergangenheit, die eigenen als auch die der anderen, vergibt und akzeptiert.

Das Leben ist so kurz.“

Informationen für erwachsene Kinder aus Suchtfamilien

von Henning Mielke
 
„In mir war immer eine Trauer, deren Ursache ich vergessen hatte.“
(ein erwachsenes Kind, anonym)

Erwachsene, die als Kinder in einer alkohol- oder suchtkranken Familie aufgewachsen sind, tragen ihre Kindheit als unsichtbare Bürde mit sich herum. Seit Kindertagen sind sie daran gewöhnt, ihre Gefühle auf „Stand-by“ zu schalten, den eigenen Wahrnehmungen und anderen Menschen zu misstrauen.

  • Rede nicht!
  • Vertraue nicht!
  • Fühle nicht!

Die Befolgung dieser in jeder Suchtfamilie geltenden Gebote half ihnen, halbwegs unbeschadet durch die Kindheit zu kommen. Ist ein Kind aus suchtkranker Familie erwachsen geworden, verkehren sich die von Kindesbeinen an erprobten schützenden Verhaltensweisen und Strategien in ihr Gegenteil. Sie richten sich nun gegen das erwachsene Kind und verhindern ein erfülltes Leben:

  • Wer nicht redet, gerät in Isolation.
  • Wer nicht vertraut, führt ein Leben in Angst.
  • Wer nicht fühlt, verliert sich selbst.

Das Heimtückische dabei ist: Oft sind die traumatischen Ereignisse der Kindheit so nachhaltig verdrängt worden, dass die Suchterkrankung in der Herkunftsfamilie von den erwachsenen Kindern in ihrer prägenden Bedeutung nicht erkannt wird. Und auch wenn Erinnerungen an die elterliche Sucht vorhanden sind, stellen erwachsene Kinder oft den Zusammenhang zu ihren Schwierigkeiten im Erwachsenenleben nicht her. Zu nennen sind unter anderem:

  • Mangelnde Selbstannahme
  • Probleme, Partnerschaften einzugehen und zu leben
  • Probleme mit der Berufswahl und der beruflichen Entfaltung
  • Neigung zur Überverantwortlichkeit und Kontrolle gegenüber anderen Menschen
  • Selbstzweifel
  • Ängste
  • Depressionen
  • Psychosomatische Beschwerden
  • Selbstschädigendes Verhalten
  • Suchtprobleme
  • Co-Abhängigkeit

Selbst wenn Probleme dieser Art vorhanden sind und das Leben schmerzhaft beeinträchtigen, nehmen erwachsene Kinder diese oft nicht wirklich wahr und leben in der festen Überzeugung, in ihrem Leben alles im Griff zu haben. Das verinnerlichte Gebot des „Fühle nicht!“ verhindert eine realistische Einschätzung des eigenen Lebens. Die Al-Anon Familiengruppen für Angehörige und Freunde von Alkoholikern haben daher einen Fragenkatalog entwickelt, der es erwachsenen Kindern alkoholkranker Eltern erleichtert, die Auswirkungen und Spätfolgen der Kindheit in einem süchtigen Umfeld einzuschätzen.


Sind Sie in einer Familie mit einem Alkoholproblem aufgewachsen?

Viele Erwachsene fragen sich, ob sie durch den Alkoholismus in Mitleidenschaft gezogen wurden. Sollte jemand, der Ihnen nahe steht, Probleme mit Alkohol haben oder gehabt haben, können Ihnen die folgenden Fragen Klarheit verschaffen:

  1. Streben Sie immerzu nach Anerkennung und Bestätigung?
  2. Fällte es Ihnen schwer, Ihre Fähigkeiten anzuerkennen?
  3. Haben Sie Angst vor Kritik?
  4. Neigen Sie dazu, sich zu übernehmen?
  5. Macht Ihnen Ihr zwanghaftes Verhalten Probleme?
  6. Haben Sie einen Hang zur Perfektion?
  7. Fühlen Sie sich unbehaglich, wenn Ihr Leben nicht glatt verläuft? Malen Sie sich dann künftige Schwierigkeiten aus?
  8. Fühlen Sie sich lebendiger, wenn es drunter und drüber geht?
  9. Fühlen Sie sich immer noch für andere verantwortlich, so wie früher für den Trinker?
  10. Finden Sie es einfach, für andere da zu sein, haben aber Mühe, gut zu sich selbst zu sein?
  11. Kapseln Sie sich ab?
  12. Machen Ihnen Autoritätspersonen und wütende Menschen Angst?
  13. Fühlen Sie sich von einzelnen Personen oder von Ihrer Umgebung ausgenutzt?
  14. Bereiten Ihnen intime Beziehungen Probleme?
  15. Halten Sie Mitleid für Liebe, genau wie früher im Umgang mit dem Trinker?
  16. Ziehen Sie Menschen mit Problemen an oder suchen Sie solche?
  17. Klammern Sie sich an Beziehungen, aus Angst vor dem Alleinsein?
  18. Misstrauen Sie häufig Ihren eigenen Gefühlen, so wie denen anderer?
  19. Haben Sie Mühe, aus sich herauszugehen?
  20. Glauben Sie, dass das Trinken eines Elternteils sich negativ auf Sie ausgewirkt haben könnte?

Mit freundlicher Genehmigung der Al-Anon Familiengruppen für Angehörige und Freunde von Alkoholikern

„Ich hatte meine Gefühle in einem Panzerschrank verschlossen und den Schlüssel im Klo runtergespült.“
(ein erwachsenes Kind, anonym)

Meist haben sich erwachsene Kinder seit ihrer Kindheit von ihren Gefühlen so konsequent abgeschnitten, dass sie als Erwachsene kaum einen Zugang zu Wut, Schmerz, Angst, Trauer, Freude und Liebe finden. Emotionale Verwirrung ist für sie der Normalzustand. Weil sie oft nicht wissen, was sie gerade fühlen, haben sie große Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen. Sie reagieren auf das Leben, statt es aktiv zu gestalten. Bei vielen erwachsenen Kindern ist die Überzeugung, ein Opfer zu sein, sehr ausgeprägt. Sie leben ein Leben in Passivität und Resignation.

Andere arbeiten exzessiv und gieren dauernd nach Anerkennung. Sie versuchen, sich mit ständiger Aktivität zu betäuben, um die emotionale Leere in ihrem Innern nicht zu spüren. Doch egal, wie viel sie leisten: Genug ist nicht genug. Nie stellt sich bei ihnen das Gefühl ein, in Ordnung zu sein.

Wieder andere greifen zu denselben Betäubungsmitteln, die schon ihre Eltern in die Sucht führten. Obwohl sie sich geschworen hatten, nie so zu werden wie der Alkoholikervater oder die medikamentenabhängige Mutter, müssen sie nun entsetzt feststellen, dass die Sucht der Eltern im eigenen Leben ihre Wiederholung findet.

Viele entwickeln statt einer stofflichen Sucht zwanghafte Verhaltensweisen, die Suchtcharakter haben können: Überessen, Magersucht und Bulimie, aber auch körperliche Selbstverletzungen, selbstquälerisches Kreisdenken und Depressionen.

Fast alle erleben sich in nahen Beziehungen als abhängig. Sie haben es nicht gelernt, gesunde, erwachsene Beziehungen zu leben und fallen im Umgang mit dem/der Partner/in in die Kinderrolle zurück: Sie versuchen, sich Liebe und Nähe durch Wohlverhalten zu verdienen. Sie stellen die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zurück und ordnen sie denen des Partners/der Partnerin unter. Eigene Grenzen, ja die eigene Persönlichkeit lösen sich auf.

Viele geraten wiederholt an Partner/innen mit Suchtproblemen. Was als Liebe begann, wandelt sich zu ständiger Sorge und Fürsorge um den/die süchtige/n Partner/in. Sie hören auf, ein eigenes Leben zu leben und wenden alle Kraft auf, um den/die Süchtige/n zu kontrollieren.

Für manche werden Liebe, Sex, Romanzen und ständig wechselnde Beziehungen zur Sucht. Die Aufregung und die Dramen, die daraus erwachsen, bereiten ihnen weniger Angst als die Nähe, die sich in einer gesunden und stabilen Partnerschaft entwickeln könnte.

Andere wiederum vermeiden jegliche nahe Beziehung aus Angst vor dem hohen Preis, den sie für Liebe und Nähe meinen zahlen zu müssen. Nur in der Isolation fühlen sie sich sicher und autonom. Doch der Preis, den sie wirklich zahlen, ist weit höher: Sie leben ein Leben in Einsamkeit.

Schmerzhaft wird vielen erwachsenen Kindern bewusst, dass ihre Kindheit nicht nur durch die elterliche Sucht überschattet wurde, sondern auch durch sexuellen und emotionalen Missbrauch und/oder körperliche Gewalt. Die Erinnerungen an diese Erfahrungen sind oft seit der Kindheit verschüttet, weil sie zu unerträglich waren. Im Erwachsenenalter dringen sie oft blitzartig als so genannte „Flashbacks“ wieder ins Bewusstsein und können schwere seelische Krisen auslösen. Erwachsene Kinder, die in der Kindheit solche Gewalterfahrungen machen mussten, haben besonders große Schwierigkeiten mit den Themen Liebe, Nähe, Partnerschaft und Sexualität.

„Ich habe die Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufgegeben.“
(ein erwachsenes Kind, anonym)

Es hat viele gute Gründe gegeben, als Kind in einer Suchtfamilie das Fühlen einzustellen. Oft verleugnen erwachsene Kinder die Bedrängnisse ihrer Kindheit aus Loyalität zur Familie so konsequent, dass sie sich und andere glauben machen, alles sei in bester Ordnung gewesen. Sich einzugestehen, dass das idealisierte Bild der Kindheit ein Trug ist, erfordert Mut. Wer den Mut aufbringt, dem eröffnet sich eine neue Perspektive:

Genesung für erwachsene Kinder beginnt, wenn sie sich ihren schmerzhaften Erinnerungen stellen und die verschlossenen Gefühle wieder zulassen. Der Genesungsprozess lässt sich mit einer steifen, fast erfrorenen Hand vergleichen, die ins Warme kommt. Sie hat im Frost ihre Beweglichkeit und Sensibilität verloren. Die heilende Wärme und die Wiederbelebung werden aber zunächst als quälender Schmerz empfunden. Erst ganz langsam verliert die Hand ihre Starre und gewinnt ihre Feinfühligkeit und Eigenwärme wieder.

Erwachsene Kinder brauchen emotionale Wärme, um sich aus ihrer Starre zu befreien. Orte, wo diese Wärme zu finden ist, sind: Selbsthilfegruppen, ambulante oder stationäre Therapieeinrichtungen und Selbsterfahrungsgruppen, in denen eine Atmosphäre von Respekt und liebevoller Annahme herrscht.

„Nur Du allein schaffst es – aber Du schaffst es nicht allein.“
(anonym)

Erwachsene Kinder suchtkranker Eltern haben häufig einen starken Hang zum Einzelkämpfertum. Sie sind es seit Kindertagen gewöhnt, auf sich allein gestellt zu sein und alles mit sich selbst abzumachen. Die Vorstellung, sich anzuvertrauen und mit anderen Menschen über ihre inneren Nöte zu sprechen, ist ihnen fremd und ruft Abwehr und Angst hervor. Nicht selten nehmen sie vorhandene Hilfeangebote nicht wahr, weil sie sich selbst versichern, alles „im Griff“ zu haben und alleine klarzukommen. Dass dieser überstarke Drang zur Eigenständigkeit Teil ihrer Krankheit ist, erschließt sich ihnen nicht. Um von der Familienkrankheit Sucht zu genesen, ist Gemeinschaft ein unverzichtbares Therapeutikum:

Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selber gibt.

Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.

Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine Geborgenheit.

Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich selbst noch andere erkennen – er wird allein sein.

Wo können wir solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unserem Nächsten?

Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der – Teil eines Ganzen – zu seinem Wohl seinen Beitrag leistet.

In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen.

Nicht mehr allein – wie im Tod – sondern lebendig als Mensch unter Menschen.

Richard Beauvais


„Wir kennen uns alle – wir sind uns nur noch nicht begegnet.“
(ein erwachsenes Kind, anonym)


Erwachsene Kinder, die zum ersten Mal eine Selbsthilfegruppe besuchen, erleben dies nicht selten als ein „Nach Hause Kommen“. Oft treffen sie hier zum ersten Mal bewusst mit anderen Menschen zusammen, die in ihrer Kindheit ebenfalls Sucht im Elternhaus erlebt haben. Es ist für sie erleichternd, zu erkennen, dass sie nicht die Einzigen sind, die solche Erfahrungen machen mussten. Hierdurch können die oft tief sitzende Scham und die brennenden Schuldgefühle langsam abgebaut werden. Absolute Vertraulichkeit und eine Haltung liebevoller Annahme sorgen in der Gruppe für einen sicheren Rahmen, der es nach und nach möglich macht, angstfrei über die schmerzhaften Lebenserfahrungen zu sprechen. Durch den offenen und ehrlichen Austausch in der Gruppe stellen erwachsene Kinder oft erstaunt fest, wie ähnlich andere in ihren Denk-, Verhaltens- und Gefühlsmustern sind. Die Gruppenmitglieder sind einander Spiegel, um die eigene Problematik klarer erkennen zu können. Sie unterstützen sich aber auch gegenseitig dabei, neues Verhalten einzuüben, indem sie Lernerfahrungen miteinander teilen.

Wenn erwachsene Kinder suchtkranker Eltern den Mut finden, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und mit der Hilfe einer Selbsthilfegemeinschaft den Weg der Genesung zu gehen, haben sie gute Chancen, die Qualität ihres Lebens zu verbessern – eines Lebens, in dem Liebe, Freude und Dankbarkeit einen immer größeren Raum einnehmen. Der Weg ist nicht leicht, aber er lohnt die Mühe. Erwachsene Kinder, die den Weg bereits gegangen sind, beschreiben die möglichen Veränderungen so:

„Wir entwickeln uns zu reifen, verantwortungsvollen Menschen, die die Fähigkeit haben, Freude, Erfüllung und Schönes zu erleben. Obwohl wir nie perfekt sein werden, wwird uns unser fortschreitendes inneres Wachsen  unendliche Möglichkeiten eröffnen. Wir werden entdecken, dass wir sowohl liebenswert als auch liebevoll sind. Wir werden andere lieben, ohne uns selbst dabei zu verlieren, und wir lernen auch, Liebe anzunehmen. Unsere Sichtweise – einst nebelverhangen und verwirrt – wird klar, und wir werden fähig, die Realität wahrzunehmen und die Wahrheit zu erkennen. Mut und Gemeinschaft werden anstelle unserer Angst treten. Wir werden fähig sein, das Risiko, Fehler zu machen, einzugehen, um neue, verborgene Talente in uns zu entdecken. Unser Leben – wie angeschlagen und gedemütigt es auch sein mag – wird uns Hoffnung schenken, die wir mit anderen teilen. Wir werden die Vielfalt unserer Gefühle erfahren, ohne dabei Sklaven unserer Emotionen zu sein. Wir werden unsere Geheimnisse nicht länger schamhaft verbergen. Wenn wir beginnen, uns selbst, unseren Familien und der gesamten Welt zu vergeben, werden sich uns mehr und mehr Entscheidungsmöglichkeiten öffnen.“

Auszug aus: Vom Überleben zur Genesung – aufgewachsen in einer alkoholkranken Familie

Al-Anon Familiengruppen (Hrsg.), S. 275f.

Quelle: NACOA Deutschland www.nacoa.de  

Drogen- und Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten 2003

Kinder von Suchtkranken

Man kann davon ausgehen, dass allein 1,8 – 2 Mio. Kinder im Alter bis zu 18 Jahren mit der Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit eines oder beider Elternteile leben. Untersuchungen belegen die traurige Tatsache, dass etwa 30 % der Kinder aus Alkoholikerfamilien selbst wieder abhängig werden. Und dies, obwohl diese Kinder unter der Familiensituation gelitten haben. Hinzu kommt, dass viele der betroffenen Kinder unter Ängsten, Depressionen und anderen psychischen Störungen leiden. Nur etwa ein Viertel der Kinder, die in einer alkoholbelasteten Familie aufwachsen, gehen „unbeschadet“ aus dieser Kindheit hervor.
Bundesweit gibt es im ambulanten Bereich sehr wenige spezifische Hilfen für solche Kinder und ihre Eltern. Aber die Politik kann diese gezielten Hilfen nicht allein leisten. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in der es darum geht, Kindern und ihren Familien zu helfen. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert zudem ein Forschungsprojekt an der Katholischen Fachhochschule Köln zu diesem Bereich.
Mittlerweile gibt es einige Projekte, die besondere Angebote für Suchtkranke mit Kindern machen. Im stationären Bereich gibt es etwa 30 Therapieeinrichtungen, die Kinder drogenabhängiger Eltern mit aufnehmen. Einige davon, z.B. in Ingenheim (Therapiezentrum Villa Maria), Lüneburg (Therapeutische Gemeinschaft Wilschenbruch) oder Obersulm (Therapiezentrum Friedrichshof) haben spezielle Kindereinrichtungen entwickelt, die zum Teil mit Anerkennung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz die begleitende Unterstützung der Kinder in den Regelsystemen (Kindergarten, Schule) sicherstellen. Die Finanzierung des Aufenthaltes der Kinder ist dabei bisher unzureichend gelöst.

Im Drogenbericht 2002 wurde die Problematik der Kinder aus suchtbelasteten Familien zum ersten Mal von der Politik thematisiert.
 

Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zum Thema „Kinder und Sucht“ vom 15. Juni 2005

(...) Besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz brauchen Kinder aus Suchtfamilien, denn sie sind die größte Sucht-Risikogruppe überhaupt. Ihr Risiko, im Erwachsenenalter selbst suchtkrank zu werden, ist vier- bis achtfach höher als bei Kindern aus nicht suchtkranken Familien. Für Kinder suchtkranker Eltern klaffen Anspruch und Wirklichkeit in Deutschland weit auseinander, denn sie sind den negativen Begleiterscheinungen des Suchtverhaltens ausgesetzt. 2,65 Millionen Kinder wachsen mit Eltern auf, die alkoholkrank, tablettensüchtig oder von anderen Substanzen abhängig sind. Das ist fast jedes sechste Kind. Bislang ist Sucht in der Familie weitgehend ein Tabu. Für Eltern ist es schmerzhaft, eingestehen zu müssen, dass sie mit ihrem Suchtverhalten ihre Kinder massiv schädigen. Viel zu wenige Kinder können Hilfsangebote wie Selbsthilfegruppen, Spielgruppen oder therapeutische Angebote wahrnehmen, denn es fehlt an Problembewusstsein und Einsicht bei den Eltern und am öffentlichen Bewusstsein für diese Risikogruppe. Alle Kinder und Jugendlichen haben das Recht, in einer Umwelt aufzuwachsen, in der sie vor den negativen Begleiterscheinungen des Suchtverhaltens der Eltern geschützt werden. Kinder aus suchtbelasteten Familien haben ein Recht auf Hilfe, unabhängig davon, ob ihre Eltern Hilfe bekommen.


Die Kinderkommission des Bundestages fordert:
  • Ein gesellschaftliches Klima, in dem betroffene Eltern und Kinder Scham- und Schuldgefühle leichter überwinden und Hilfe annehmen können
  • Die Öffentlichkeit muss über die Auswirkungen von Suchterkrankungen auf Kinder und Familien besser als bisher informiert werden, denn eine sensibilisierte Öffentlichkeit erleichtert es den Eltern, die Sucht als Krankheit anzunehmen
  • Eine bessere Vernetzung von Schule und Jugendhilfe als Unterstützung für Kinder aus Suchtfamilien
  • Bezugspersonen von Kindern in Schulen, Sportvereinen und Kindertagesstätten müssen für das Suchtproblem in Familien sensibilisiert werden
  • Bei Therapieangeboten für suchtkranke Eltern sind die Belange der Kinder verstärkt zu berücksichtigen und eigene Hilfsangebote zu unterbreiten.

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